Netzwerke 2021 | Terahertz: Wo Optik auf Radar trifft

Ein Mann und eine Frau betrachten einen Halbleiter.
Halbleiterbauelemente sind für die Entwicklung von Computern, Kommunikationstechnologien oder erneuerbaren Energien von besonderer Bedeutung. terahertz.nrw arbeitet daran, deren Leistungsfähigkeit zu verbessern.
© Fraunhofer FHR/Uwe Bellhäuser

Macht sich die Menschheit heutzutage vor allem Optik und Radar zunutze, um etwa die Umgebung zu untersuchen, dürfte sich das technologische Spektrum künftig ein großes Stück erweitern. Genauer gesagt um den Terahertz-Bereich, der im elektromagnetischen Spektrum zwischen dem Millimeterwellenbereich und dem optischen Bereich liegt: Die Wellenlängen sind kleiner als ein Millimeter, die Frequenzen liegen entsprechend oberhalb von 300 Gigahertz. Bisher führten Wellen mit diesen Eigenschaften ein stiefmütterliches Dasein.

Warum Terahertz?

Das zu ändern und die Terahertz-Wellen in das alltägliche Leben zu integrieren, wo sie Antworten auf drängende Zukunftsfragen liefern können, ist das Ziel des Netzwerks terahertz.nrw. Beteiligt sind die drei Universitäten Bochum, Duisburg-Essen und Wuppertal mit insgesamt 25 Lehrstühlen sowie die Fraunhofer-Institute für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg und für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR in Wachtberg.

„Faszinierend finde ich an der Terahertz-Forschung vor allem, dass dieser Frequenzbereich bisher kaum genutzt wird. […] Im Bereich der Optik und der Radartechnologie forschen wir seit Jahrzehnten. Im Terahertz-Bereich treffen diese beiden Technologien aufeinander – das ermöglicht eine Vielzahl von interessanten wissenschaftlichen Fragestellungen und neuen Systemkonzepten.“

Prof. Dr. Dirk Nüßler

Lösungen für die Zukunft

Doch wo genau können Terahertz-Technologien einen Mehrwert leisten? Die Forschenden des Netzwerks terahertz.nrw haben vor allem fünf Anwendungsfelder im Blick: Kommunikationstechnik, Lokalisierung, Materialcharakterisierung, Medizintechnik und Umweltmonitoring. Vorteile bieten Terahertzwellen in all diesen Bereichen.

Ein Beispiel aus der Kommunikationstechnik: Der Trend hin zu immer größeren Datenraten ist ungebrochen. Doch kommt der derzeit genutzte Frequenzbereich an seine Grenzen. „Die einzige Möglichkeit, dieses Dilemma zu lösen, liegt darin, auf höhere Frequenzen auszuweichen – sprich vom Mikrowellenbereich in den Terahertzbereich zu gehen. Terahertz-Technologien dürften daher künftig eine der zentralen Spielwiesen für Kommunikationslösungen werden“, ist Nüßler überzeugt.

Erste Schritte in diese Richtung werden bereits diskutiert, so sind für 6G bereits Frequenzen bis zu 100 Gigahertz im Gespräch. Bei der International Telecommunication Union (ITU), der Sonderorganisation der Vereinten Nationen für digitale Technologie, werden aktuell Frequenzbereiche bis 280 GHz für zukünftige Anwendungen aufgeteilt und im nächsten Schritt wird über Lösungen bis 800 GHz nachgedacht – große Kommunikationsunternehmen bekunden bereits Interesse an den Frequenzbereichen.

Eine der Herausforderungen: Die Messtechnik im Terahertz-Bereich ist sehr aufwändig und teuer – eine Situation, die für Start-Ups sehr schwierig ist. Über das Netzwerk terahertz.nrw erhalten Firmen Zugriff auf entsprechende Terahertz-Technologien und können auf diese Weise neue Wertschöpfungsketten erzeugen.

Ein Beispiel aus der Spektroskopie: Derzeit werden Terahertz-Technologien vor allem von Radioastronominnen und -astronomen angewendet, um die Atmosphäre von fremden Planeten aufgrund ihres Absorptionsspektrums zu analysieren. „Im Netzwerk gehen wir einen großen Schritt weiter: Wir nutzen die Terahertz-Technologie abbildend“, erläutert Nüßler. Interessant ist das etwa bei der Materialcharakterisierung. Mit einem 3D-Tomographen, den die Forschenden im Netzwerk entwickeln, können sie in Materialien hineinschauen, Produktionsprozesse während der Produktion optimieren und Fehler aufspüren. Die Ergebnisse liegen instantan, also ohne Zeitverzögerung vor.

Ein weiteres spektroskopisches Anwendungsfeld von Terahertz-Technologien liegt im Bereich der Medizin, etwa bei Tumor-Operationen. Bei Brust- und Prostatakrebs muss das erkrankte Gewebe möglichst vollständig herausgeschnitten werden. Bisher wird dies über Schnellschnitte des Gewebes überprüft, die im Labor untersucht werden – eine zeitaufwändige Angelegenheit. Mit der interoperativen Terahertz-Diagnostik, die im Netzwerk entwickelt wird, lässt sich zukünftig bereits während der Operation bewerten, ob alle Tumorzellen entfernt wurden.

Nur gemeinsam geht´s voran!

Noch stecken die Terahertz-Technologien in den Kinderschuhen. Um sie in die Anwendung zu bringen, ist ein großer und vor allem interdisziplinärer Forschungsverbund unerlässlich. Ein Forschungsverbund, wie er mit terahertz.nrw geschaffen wurde. „Im Netzwerk – und das macht den Reiz aus – ziehen sonst sehr weit voneinander entfernte Disziplinen an einem Strang und erforschen Lösungsansätze. Mediziner forschen gemeinsam mit Elektroingenieuren, Physiker mit Materialforschern, Biologen mit Hochfrequenztechnikern“, bestätigt Nüßler.

Das Netzwerk setzt dabei auf eine fundierte, langjährige Zusammenarbeit – unter anderem den Sonderforschungsbereich „TransRegio Marie“, das Projekt „6GEM“ sowie kleinere Verbundprojekte. Durch die Förderung konnte die Vernetzungsinfrastruktur deutlich ausgebaut werden: Spezielle Plattformen ermöglichen einen engen Austausch, auch haben Forschende aus sensorfernen Fakultäten Zugriff auf die Labore und die Fertigungsmöglichkeiten anderer Netzwerk-Teilnehmer. Ein weiterer großer Teil der Förderung fließt in die Nachwuchsförderung.

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen der Terahertz-Technologie

Wie also wird sie aussehen, die Zukunft der Terahertz-Technologie? Wie wird sie sich auf Gesellschaft und Wirtschaft auswirken? „Die Terahertz-Technologie hilft uns, unsere Umwelt besser zu verstehen, daher wird sie zukünftig immer wichtiger werden – etwa im Bereich Biologie, Chemie, Umweltmonitoring“, ist sich Nüßler sicher. Darüber hinaus dürfte sie auch ganz pragmatische Auswirkungen haben, etwa im Bereich der Recyclingindustrie, genauer gesagt bei der sortenreinen Trennung von Kunststoffen. „Wir werden es zwar kaum wahrnehmen, jedoch wir werden künftig zunehmend von Terahertz-Lösungen umgeben sein“, ist Nüßler überzeugt. Sie wird also gesellschaftsdurchdringend sein, die Terahertz-Technologie.

terahertz.NRW – Das Forschungsnetzwerk in Deutschland zur Terahertz-Technologie (Video)

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terahertz.nrw im Video
© Fraunhofer FHR/Uwe Bellhäuser

Kontakt zum Projekt

Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR

Prof. Dr. Dirk Nüßler
dirk.nuessler@fhr.fraunhofer.de